Jobs-to-be-done
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Jobs-to-be-done – eine Einführung
Die Jobs-to-be-done Methode liefert ein kundenzentriertes Werkzeug, um zu verstehen, warum Kunden eine Kaufentscheidung für ein bestimmtes Produkt treffen. Dabei dreht sich alles um die Bedürfnisse der Kunden und welche Anforderung ein Produkt (oder eine Dienstleistung) erfüllen muss, damit dieser Bedarf gedeckt wird. Eigentlich die Kernfrage jedes Unternehmens, leider wird sie sich häufig eben doch nicht intensiv genug gestellt. Und hier kommt die Jobs-to-be-done Methode ins Spiel.
Die zentrale Frage rund um Jobs-to-be-done (kurz JTBD) lautet, welche Aufgabe(n) ein Produkt für eine spezielle Klientel erfüllt. (Der englische Begriff „Jobs” steht in diesem Kontext für Aufgaben oder Tätigkeiten.) Die Qualität des erworbenen Produkts wird vom Kunden dahingehend bewertet, wie hilfreich das Produkt zur Erledigung seines “Jobs” beigetragen hat. Produkte, die dies zufriedenstellend leisten, werden langfristig also einen höheren Kundenwert generieren.
Für die Entwicklung oder Optimierung eines Produkts bedeutet dies, dass die Funktionalität am realen Kundenwunsch ausgerichtet sein muss und nicht auf Annahmen beruhen darf. Die Jobs-to-be-done Methode ist also ein Framework, welches den Kunden und dessen Bedürfnisse in den Mittelpunkt des Handelns stellt und die klassische Produktentwicklung nachgelagert betrachtet – und dies, ohne die eigenen ökonomischen Interessen zu vernachlässigen. Sie gilt als eine der besten Methoden, um kundenzentrisch zu agieren und Innovation zu schaffen.
Entstehung der Jobs-to-be-done Theorie
Als Pioniere des Jobs-to-be-done Modells gelten Clayton M. Christensen und Anthony W. Ulwick. Christensen lehrte ab 1992 als Professor der Betriebswirtschaftslehre an der Harvard Business School, zuvor war er als Unternehmensberater für die Boston Consulting Group tätig. Seine populärste Publikation ist das Buch “The Innovator’s Dilemma” aus dem Jahr 1997, in dem Christensen seine Forschungsergebnisse zu disruptiven Innovationen veröffentlichte und darlegte, warum etablierte Organisationen im Wettbewerb mit kleineren Tech-Playern häufig das Nachsehen haben.
Zeitgleich entwickelte der Innovationsberater Anthony W. Ulwick das “Outcome Driven Innovation” Modell (ODI), welches (sehr einfach dargestellt) besagt, dass Produkte, die eine spezielle Aufgabe für den Kunden erfüllen, erfolgreicher am Markt sind als andere Angebote. Ende der Neunziger fanden dann beide Protagonisten zusammen und entwickelten das Jobs-to-be-done Framework. Während JTBD als reine Methodik fungiert, liefert das ODI Konzept ein Modell, um Produkte zu entwickeln, die den Bedürfnissen des Kunden entsprechen, indem sie eine konkrete Aufgabe erledigen.
Beispiel zur Jobs-to-be-done Methode
Das berühmteste Beispiel zu JTBD ist ein Milchshake und kommt von Christensen und Ulwick selbst. Eine große amerikanische Fast-Food-Kette hatte das Ziel, die Verkäufe seines Milchshakes zu erhöhen, dafür wurde der “klassische Ansatz” gewählt, um die Zielgruppe und ihre Bedürfnisse zu verstehen. Die Kunden wurde nach demografischen Merkmalen analysiert und im Anschluss befragt, welche Vorlieben sie bei Milchshake aufweisen. Als Ergebnis wurde ein geschmacklich verbesserter Milchshake präsentiert, welcher die Verkaufszahlen ankurbeln sollte. Jedoch: Der Umsatz stagnierte!
Nun kamen Christensen und seine Kollegen ins Spiel und arbeiteten heraus, welche “Aufgabe” der Milchshake dieses Schnellrestaurants wirklich zu erledigen hatte. Dafür begab sich das Team an einem Tag für 18 Stunden in eins der Restaurants, beobachtete die Kundschaft und generierte sorgfältig Daten. Fragestellungen waren dabei:
Zu welcher Zeit werden hauptsächlich Milchshakes konsumiert?
Kamen die Käufer alleine?
Wurde neben dem Milchshake weiteres Essen gekauft?
Wurde der Milchshake im Restaurant getrunken oder verließen die Käufer die Location nach dem Kauf wieder?
Eine erste Beobachtung war, dass nahezu die Hälfte aller Milchshakes des Tages vor acht Uhr am Morgen verkauft wurden. Hinzu kam, dass fast alle Personen das Restaurant alleine besuchten, ausschließlich einen Milchshake kauften, um dann direkt wieder ins Auto zu steigen und den Milchshake während der Fahrt tranken.
Am nächsten Tag begab sich das Team auf den Parkplatz des gleichen Restaurants und befragte alle Personen, die sich vor acht Uhr einen Milchshake kauften und wieder ins Auto stiegen. Es stellte sich heraus, dass alle Befragten die gleiche Aufgabe zu erledigen hatten: Sie standen vor einer langen (und langweiligen) Fahrt zur Arbeit und brauchten etwas, mit dem sich die Zeit angenehmer gestalten ließ. Hinzu kam, dass keiner der Käufer wirklich hungrig war, sie aber wussten, dass sich gegen zehn Uhr der Hunger bemerkbar machen würde, der Milchshake dieses Verlangen jedoch reduziert. Ein weiteres Argument zur Kaufentscheidung des Milchshakes war, dass er sich bequem während der Fahrt verzehren lässt – anders als beispielsweise ein belegter Bagel. Und dazu sollte er natürlich noch gut schmecken…
Somit war klar, dass der Milchshake für die Zielgruppe der Berufspendler vier Jobs erfüllt: Er vertreibt die Langeweile, sättigt für einen längeren Zeitraum, ist einfach zu verzehren und schmeckt gut. Eine weitere Erkenntnis: Das Konkurrenzprodukt ist nicht der Milchshake einer anderen Fast-Food-Kette! Alternative Snacks wie Bananen, Bagels, Schokoriegel oder auch Kaffee sind im Kopf des Konsumenten die Konkurrenz zum Milchshake!
Ein neuer Denkansatz entwickelte sich: Die Verbesserung des Produkts “Milchshake” darf nicht ausschließlich über den Geschmack erfolgen. Weitere Faktoren wie ein langer Kältezustand, eine hohe Sättigung und eine einfache Handhabung des Bechers (mit Strohhalm!) sind die Jobs, die das Produkt aus Sicht des Käufers erfüllen muss. Diese Aspekte wurden vorher bei der Produktoptimierung nicht beachtet.
Direkte und indirekte Ziele eines Produkts
Das Konzept der Jobs-to-be-done Methode besagt, dass jedes Produkt sowohl direkte als auch indirekte Ziele erfüllen muss. Dabei sind die direkten Ziele offensichtlich. Um die indirekten Ziele eines Produkts zu verstehen, ist eine genaue Beobachtung nötig, da selbst der Kunde sie häufig nicht bewusst wahrnimmt. Im Falles des Milchshakes war ein direktes Ziel der Käufer, dass sie eine Beschäftigung während der abwechslungslosen Arbeitsfahrt hatten und bis mittags gesättigt waren. Das indirekte Ziel, dass sich der Milchshake mit einer Hand (ohne sich dabei schmutzig zu machen) verzehren lässt, hat allerdings ebenfalls maßgeblich zur Kaufentscheidung beigetragen.
Diese beiden Arten von Zielen können entweder funktional, emotional oder sozial sein. Häufig neigen Anbieter dazu, den funktionalen Blickwinkel zu sehr in den Vordergrund zu stellen – dies zum Nachteil des emotionalen oder sozialen Aspekts. Betrachten wir beispielsweise einen jungen, Mode-affinen Käufer einer Winterjacke. Das Ziel des Produkts muss es natürlich sein, dass der Kunde nicht friert (funktional). Gleichzeitig muss die Kleidung jedoch auch “cool” (emotional) und nachhaltig (sozial) gefertigt sein. Ein Hersteller von Winterjacken mit einer jüngeren Klientel tut also gut daran, alle drei Aspekte abzudecken.
Vorgehen bei der Jobs-to-be-done Methode
Grundlegend lässt sich sagen, dass der Einstieg in die Arbeit mit der JTBD-Methode keiner vorherigen Ausbildung bedarf. Wer die relevanten Faktoren verstanden hat, kann loslegen. Hierbei sollte ebenfalls erwähnt werden, dass es bei der Verwendung des Frameworks kein hundertprozentig perfektes Vorgehen gibt – einfach mal machen. (Wer sich bereits im Design Thinking auskennt, hat natürlich Vorteile!) Die Fragestellung, die mit JTBD geklärt werden soll, muss vorher definiert werden, danach sollte man in einem kleinen Team die Arbeit aufnehmen. Je nach Fragestellung empfiehlt sich die Bildung eines interdisziplinären Teams, dies sollte jedoch individuell entschieden werden. Zum Start sollte dann eine erste “Bestandsaufnahme” in einem Canvas erfolgen. Wichtig ist dabei, dass jedes Produkt ein eigenes Canvas bekommt, ansonsten wird es zu unübersichtlich.
Wir nutzen hierfür das eigens gestaltete JTBD-Canvas:
Das Template des Jobs-to-be-done Canvas gibt es hier kostenfrei zum Download!
Nun stellen alle Beteiligten Hypothesen auf und diskutieren diese gemeinsam am JTBD-Canvas. Im ersten Schritt ist es also völlig legitim, dies ohne Kundenfeedback zu tun! Hat die Gruppe dies fertiggestellt, ist der erste Meilenstein auch schon erreicht: Man hat die Jobs benannt, die dafür verantwortlich sind, dass Kunden das Produkt kaufen. Und jetzt wird es spannend, denn danach müssen diese Annahmen durch den Kunden bestätigt oder widerlegt werden!
Mit den Kunden sprechen
Vorweg: Dieser Schritt ist unfassbar wichtig! Erfahrungsgemäß sprechen Unternehmen nämlich wenig bis gar nicht direkt mit den eigenen Kunden – den Kundenservice einmal ausgenommen. Warum eigentlich nicht? Wer kann mir besseres Feedback zu meinen Produkten geben als die Personen, die sie nutzen? Das Gegenargument ist in der Regel, dass der Aufwand und die Kosten zu hoch seien. Das ist schlichtweg falsch! Wenn ich die Kundenbedürfnisse nicht vollständig kenne, werde ich mein Produkt nicht erfolgreich genug absetzen und Opportunitätskosten erzeugen. Oder das Produkt muss zu einem späteren Zeitpunkt (mit einem höheren Aufwand und höheren Kosten) in eine weitere Schleife der Produktoptimierung.
Unsere Erfahrungen zeigen, dass in einem Dialog mit Kunden immer neue Erkenntnisse zu den Jobs des Produkts entstehen! Wenn Sie Kunden beobachten und die richtigen Fragen stellen, werden sie schnell und kosteneffizient Antworten zu Kundenbedürfnissen bekommen! Außerdem können Sie diese Gespräche nutzen, um neue Konzepte vorzustellen oder gar Prototypen zu präsentieren. Übrigens: Häufig führt erst der Dialog mit Nicht-Käufern zur gewünschten Erkenntnis! Diese Kohorte bringt nämlich die fehlenden Jobs eines Produkts recht präzise und unverblümt auf den Tisch!
Anwendungsbereiche der JTBD-Methode in Unternehmen
Der Umgang mit der Jobs-to-be-done Methode bietet sich für folgende Unternehmensbereiche an:
Produkt- & Unternehmensentwicklung:
- Decken bestehende Produkte das Kundenbedürfnis in Gänze ab? Können neue Features am Produkt, welche fehlende Ziele ergänzen, das Absatzvolumen erhöhen?
- Ermöglicht ein kundenzentrisches Denken nach der JTBD-Methode sogar neue Produkte? Ergeben sich weitere Opportunitäten für Innovation?
- Kann die JTBD-Methode helfen, die strategische Ausrichtung des Unternehmens zu schärfen? Macht eine neue Marktdynamik dies sogar generell notwendig?
Vertrieb & Marketing:
- Werden alle Produktmerkmale gebührend kommuniziert? Oder steht ausschließlich die Funktionalität im Vordergrund?
- Ergibt sich eine alternative Kundensegmentierung, wenn man den Kunden und den zu erledigenden Job des Produkts in den Mittelpunkt seiner Aktivitäten stellt?
- Welche Jobs erledigen die Produkte der Wettbewerber? Gibt es Wettbewerber aus anderen Branchen, die den Job erfüllen können? Stellt sich der Markt sogar anders dar, wenn die JTBD-Perspektive eingenommen wird?
Warum sollten sich Unternehmen mit Jobs-to-be-done Theorie beschäftigen?
Kundenbedürfnisse werden sich weiter verändern! Bedenken Sie nur, welche Auswirkungen der Klimawandel zukünftig auf Konsumenten und die sozialen Jobs eines Produkts haben wird. Gleichzeitig werden neue Technologien zukünftig neue Player auf der Markt bringen, die den “Job” eines Produkts eventuell schneller, einfacher oder günstiger erledigen können. Oder eben nachhaltiger!
Nur Unternehmen, die sich und ihre Produkte ständig hinterfragen, werden in der Lage sein, in diesem Wettbewerb zu bestehen. Und dazu gehört eben auch, sich regelmäßig die Frage zu stellen, ob das eigene Produkt noch auf der Höhe der Zeit ist und alle Bedürfnisse des Kunden abdeckt. Das bedeutet übrigens nicht, dass ständig alle Prozesse hinterfragt werden müssen. Jedoch sollte man seine Zielgruppe(n) im Auge behalten und auf Veränderungen von Rahmenbedingungen zügig reagieren.
Fazit zu Jobs-to-be-done
Wir sehen in der Jobs-to-be-done Methode vor allem ein Framework, welches einen neuen Denkansatz in den Köpfen der Unternehmen vermittelt. Produkte werden nicht im stillen Kämmerlein entwickelt und dann nach Fertigstellung auf den Markt geworfen, sondern von Beginn an “um dem Kunden herum” konzipiert. Hinzu kommt, dass die Methode zügig Ergebnisse erzielt und in der Regel von allen Beteiligten gut angenommen wird.
Und hier sei nochmals erwähnt: Kundenorientiertes Handeln steht nicht im Widerspruch zu den eigenen wirtschaftlichen Interessen. Im Gegenteil! Wer sein Unternehmen konsequent an den Bedürfnissen seiner Kunden ausrichtet, wird langfristig einen höheren Kundenwert erzielen und somit wirtschaftlich erfolgreicher als die Mitbewerber sein!